Ein längst überholter Bebauungsplan von 1969 erleichtert den Abriss eines Wohnhauses in der Kurfürstenstraße 75 und bedroht auch das Wohnen in der Nachbarschaft.

Foto: Christian Muhrbeck
Das Haus Kurfürstenstraße 75 soll abgerissen werden. Die 25 Mietparteien erhielten schon im April 2024 von den Eigentümern eine Aufforderung, sich eine neue Wohnung zu suchen. Als Begründung für den Abriss wird der Büro-Neubau auf dem Nachbargrundstück an der Schillstraße genannt, der auch „Nachteile für die Mieter“ befürchten lasse. „Der Verlust der Wohnraumqualität geht mit einer deutlichen Entwertung unseres Grundstücks einher, wenn wir an dem Bestand des Gebäudes festhalten und uns nicht der baulichen Entwicklung anschließen“, heißt es in einem Schreiben an die Mieter:innen. Offenbar ist im gleichen Zug auch eine Neubebauung beziehungsweise Aufstockung auf den angrenzenden Grundstücken Landgrafenstraße 3-6 und Wichmannstraße 23 geplant. Das Problem ist nicht nur die Verdrängung der Mieter:innen aus ihren bezahlbaren Wohnungen. Es müssen auch keine Ersatzwohnungen gebaut werden. Falls doch welche errichtet werden, können ihnen keinerlei Auflagen zur Bezahlbarkeit gemacht werden. Der Grund: Ein Bebauungsplan von 1969 weist dieses Areal als Kerngebiet aus, in dem das Wohnen, wenn überhaupt, nur als Ausnahme zulässig ist. Damit wollte man hier seinerzeit eine City-Bildung befördern.

Foto: Christian Muhrbeck
Um zu verhindern, dass ein „Wohnraumvernichtungs-Domino“ sich durch den Block zieht, hat die Bezirksverordnetenversammlung Mitte im März auf Antrag der Linken beschlossen, in einem neuen Bebauungsplan hier ein Mischgebiet festzusetzen, in dem das Wohnen grundsätzlich erlaubt ist. Dass die vielen früheren Kerngebietsausweisungen ein Problem sein könnten, ist keine neue Erkenntnis. Schon in den 80er und 90er Jahren haben die Bezirksämter etwa für den Kurfürstendamm, die Turm-, Müller-, Potsdamer und Karl-Marx-Straße eigens Bebauungspläne aufgestellt, die ausdrücklich festhalten, dass in diesen Kerngebieten das Wohnen ab dem ersten oder zweiten Stock zulässig ist, beziehungsweise ein Wohnanteil von 50 Prozent vorgeschrieben wird.
Für einige alte Bebauungspläne fehlt aber eine solche Klarstellung – wie an der Kurfürstenstraße. Damit sind Wohnungen dort ähnlich „illegal“ wie in planerischen Arbeits- oder Industriegebieten.
Jens Sethmann
07.05.2025