Der Chemie- und Pharmakonzern Bayer treibt den Abriss von Wohnhäusern im Wedding weiter voran. Im Januar bekamen alle 22 Mietparteien der Häuser Tegeler Straße 6 und 7 eine Verwertungskündigung. Der Bezirk Mitte sieht keine Möglichkeit, den Abriss zu stoppen.

Foto: Nils Richter
Am 10. Januar hatten die Mieter:innen die Kündigungsschreiben von Bayer im Briefkasten. Auch wenn das Damoklesschwert des drohenden Abrisses schon länger über den acht Häusern Fennstraße 33/34 und Tegeler Straße 1-7 schwebt, waren die Mieter:innen von der Eile schockiert – hatten sie doch erst Ende November Mieterhöhungen bekommen, die ab Februar gelten. Bayer macht mit Zuckerbrot und Peitsche Druck: Wer schnell auszieht, bekommt eine fünfstellige Prämie, die sich rapide auf wenige Tausend Euro reduziert, wenn man sich erst später zum Auszug entscheiden sollte.
Die Mieterschaft so unter Druck zu setzen, sei „amoralisch“ und für einen Konzern wie Bayer ein „absolutes No-Go“, sagt Sebastian Bartels, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. Zum panischen Auszug besteht jedoch kein Grund. Ob die Kündigungen rechtens sind und einer gerichtlichen Prüfung standhalten, ist fraglich. Auch ist noch umstritten, ob die Häuser einfach so abgerissen werden können. Die These, es handle sich bei den seit weit über 100 Jahren durchgängig bewohnten und gut erhaltenen Häusern am Mettmannplatz nicht um schützenswerte Wohnhäuser, weil im Baunutzungsplan von 1960 der Block als Arbeitsgebiet festgelegt ist, wurde im vergangenen Juli von einem Rechtsgutachten widerlegt. Danach hätte Bayer keinen Anspruch auf eine Abrissgenehmigung. Auf Antrag der Linksfraktion, die das Gutachten in Auftrag gegeben hatte, forderte die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) im September mehrheitlich eine Neubewertung der Rechtslage, um die Abrisse zu stoppen.

Foto: Nils Richter
Das Bezirksamt ist jedoch der Ansicht, dass das Gutachten „zu keiner anderen Einschätzung der Sach- und Rechtslage“ führe. „Es bestehen keine rechtlichen und praktischen Möglichkeiten, den Abriss der Gebäude zu verhindern“, erklärt Christian Zielke, Pressesprecher des Bezirks. Martha Kleedörfer, Wohnungspolitikerin der Linksfraktion in der BVV, wirft dem Bezirksamt „unterlassene Hilfeleistung“ vor. Das Bezirksamt sieht sich lediglich in der Verantwortung zwischen Bayer und den betroffenen Haushalten zu vermitteln, und erwartet, dass der Konzern den Mieter:innen „adäquate Hilfestellungen“ anbietet.
Jens Sethmann
28.02.2025