So manches wissen wir erst wirklich zu schätzen, wenn es auf dem Spiel steht, wie unsere Gesundheit, eine zuverlässige Schulspeisung oder das sichere Dach überm Kopf. Dass all diese „basics“ mit einem funktionierenden Sozialstaat zusammenhängen, zeigt uns der Politikwissenschaftler und Gewerkschafter Patrick Schreiner in einem lesenswerten Sachbuch.

Nichts für alle – Wie Politik und Wirtschaft uns den Sozialstaat kündigen,
Brumaire Verlag, 240 Seiten, 19 Euro
Daten, Zahlen und Fakten – aber auch viel persönliche Erlebnisberichte zeichnen ein Bild unseres Sozialstaates von seiner Entstehung bis zu den aktuellen Entwicklungen. Etwa in der Jugend- und Suchthilfe, bei der Rente – und nicht zuletzt beim Wohnen. Hier folgt der Autor einem steinigen Weg, beginnend mit der Erkenntnis von der sozialen Bedeutung einer Wohngemeinnützigkeit über erste kommunale Wohnungsunternehmen. Die riefen von Beginn an Gegner auf den Plan: Kleinvermieter befürchteten Konkurrenz und wehrten sich mit liberaler und konservativer Hilfe dagegen, beschreibt Schreiner die Situation schon nach dem Ersten Weltkrieg. Eine CDU/CSU- und FDP-geführte Regierung war es dann auch, die sich Ende der 1980er Jahre von der Wohngemeinnützigkeit verabschiedete. Und das war erst der Anfang: Zwischen 1999 und 2017 verscherbelten Bund und Länder ihre kommunalen Wohnungsbestände zu einem übergroßen Teil. Mit Folgen, die wir bis heute bitter zu spüren bekommen.
Die Lage ist prekär, schätzt der Autor ein und räumt mit Legenden auf. Allen voran mit der Mär vom „aufgeblähten Sozialstaat“. Denn wenn man betrachtet, welche entscheidenden Lebensbereiche er heute umfasst und bedenkt, dass die meisten Menschen in diesem Land ihn brauchen, muss die zunehmende Kürzung von Geldern und damit die dramatische Unterfinanzierung vieler Bereiche uns alle alarmieren.
rm
22.01.2025