Wer heutzutage einen Mietvertrag abschließt, ist häufig mit Knebelvereinbarungen konfrontiert, die man wohl oder übel akzeptieren muss, will man die Wohnung bekommen. Wir sagen Ihnen, welche Sie getrost unterschreiben können, weil sie ohnehin unwirksam sind, und wo Sie aufpassen müssen.

Illustration: Lisa Smith
Beim Berliner Mieterverein (BMV) hatte man kürzlich den Fall, dass eine Mieterin die Miete für zwei Jahre im Voraus zahlen sollte. Die Wohnung im Ortsteil Prenzlauer Berg war ursprünglich als befristet für zwei Jahre angeboten worden. Nach längeren Verhandlungen war die Vermieterin zu einem unbefristeten Mietvertrag bereit – gegen 40.000 Euro Vorkasse. „Das klingt abenteuerlich“, kommentiert Wibke Werner von der BMV-Geschäftsführung. Sie rät dringend davon ab, solch hohe Mietzahlungen im Voraus zu leisten. Allerdings: Wer sich trotzdem darauf einlässt, hat gute Chancen, das Geld zurückzubekommen. Wie BMV-Rechtsexperte Frank Maciejewski erklärt, kann eine solche Verpflichtung formularvertraglich nicht vereinbart werden, weil sie überraschend (nach Paragraph 305 c Absatz 1 BGB) und wohl auch unangemessen ist (nach § 307 BGB). Anders sieht es aus, wenn die Vorkasse individuell zwischen den Vertragspartnern ausgehandelt wurde (zur Unterscheidung unsere Infotest unten).
Übliches Ziel: Mehr Miete herausschlagen
Meistens haben die unseriösen Angebote, die beim BMV auf dem Tisch landen, nur ein Ziel: die gesetzlichen Vorschriften zu umgehen und eine höhere Miete herauszuschlagen. Dafür gibt es verschiedene Maschen. „Am häufigsten haben wir es mit Befristungen zu tun, oft kombiniert mit einer angeblichen Vermietung zum vorübergehenden Gebrauch“, berichtet der Leiter der BMV-Rechtsabteilung, Stefan Schetschorke. Oft handelt es sich um sogenannte Kettenmietverträge. Das heißt: Nach Ablauf eines Vertrags wird wieder ein neuer Vertrag für ein oder zwei Jahre angeboten. Es geht also nicht darum, die Mietenden loszuwerden, sondern mit jedem neuen Vertragsabschluss einen saftigen Aufschlag verlangen zu können. Wenn im Vertrag nicht einmal ein Grund für die Befristung genannt wird – und das kommt nicht selten vor – kann man das getrost unterschreiben, müsse sich dann allerdings auf Streit mit dem Vermieter einstellen, sagt Rechtsberater Schetschorke.

Illustration: Lisa Smith
Befristete Mietverträge sind nur in Ausnahmefällen und nur aus bestimmten Gründen zulässig. Dazu zählen Eigenbedarf, geplanter Abriss und der Umbau der Wohnung – dies aber auch nur dann, wenn es sich nicht um Modernisierungsmaßnahmen handelt, die von den Mietenden ohnehin zu dulden sind und die auch in bewohntem Zustand durchgeführt werden können. Die Gründe müssen in jedem Fall im Vertrag genannt werden, ansonsten handelt es sich automatisch um ein unbefristetes Mietverhältnis. Relativ häufig werden, so Schetschorke, auch Mietverhältnisse zum „vorübergehenden Gebrauch“ angeboten, weil hier die Mietpreisbremse nicht greift: „Doch nur weil das im Kopf des Vertrags steht, muss das nicht zutreffen.“ Die zulässige zeitliche Befristung ist allerdings juristisch umstritten. Häufig vorkommen Vermietungen an Studierende für die Dauer eines Semesters oder eines mehrmonatigen Praktikums. Hier ist die Befristung zulässig. Nach vorherrschender Rechtsprechung ist alles über ein Jahr Mietdauer hinaus kein vorübergehender Gebrauch mehr. Und das bedeutet: Es gilt die „Mietpreisbremse“. Kann man einen solchen Vertrag also ohne weiteres unterschreiben und anschließend die Karte Mietpreisbremse ziehen? „Auf jeden Fall den Vertrag vorher in der Rechtsberatung prüfen lassen“, rät Schetschorke.

Illustration: Lisa Smith
Ein anderer Klassiker ist inzwischen ein wenig aus der Mode gekommen: die erzwungene teilgewerbliche Vermietung. Das geht so: Die Miete für den Großteil der Wohnung (es müssen mindestens 50 Prozent sein) orientiert sich an der zulässigen Miete gemäß Mietpreisbremse. Dazu kommt aber ein Zuschlag für eine teilgewerbliche Nutzung der Wohnung, auch wenn diese gar nicht vom Mieter oder der Mieterin beabsichtigt ist. So ließ sich ein Mitglied des BMV notgedrungen auf einen Mietvertrag für eine knapp 50 Quadratmeter große Wohnung für 520 Euro nettokalt plus einem Zusatzvertrag für die teilgewerbliche Nutzung der Wohnung in Höhe von 400 Euro ein. Besonders absurd in diesem Fall: Als angeblich vorgesehene Tätigkeit hat der Vermieter „Home Office“ in den Vertrag geschrieben. Dafür braucht es jedoch weder eine Genehmigung noch eine vertragliche Vereinbarung.
Der Trick mit dem separat vermieteten Keller
Relativ neu in der Trickschublade: Kellermietverträge. Dabei wird bei Abschluss der Mietvertrags ein gesonderter Vertrag für einen Kellerraum abgeschlossen, natürlich gegen einen Extra-Obulus. Die Gerichte haben das bis vor kurzem als Versuch der Umgehung der Mietpreisbremse gewertet. Doch der Bundesgerichtshof hat das dreiste Vorgehen inzwischen abgesegnet (BGH vom 5. Juli 2023 – VIII ZR 94/21 –). Nur wenn beide Verträge als einheitlich anzusehen sind, sei von einem unzulässigen Umgehungsgeschäft auszugehen. Für die Nicht-Einheitlichkeit können nach Auffassung des BGH unterschiedliche Kündigungsbestimmungen und Mieterhöhungsvereinbarungen sprechen.

Illustration: Lisa Smith
Kuriose Mietvertragsregelungen wie „Mietminderung ausgeschlossen“ oder „Besuch nach 22 Uhr verboten“ kommen mittlerweile nur noch selten vor. „Früher hatten wir viele private Einzelvermieter, die sich den Mietvertrag aus verschiedenen Formularen selber zusammengebastelt haben“, erklärt Schetschorke. Mittlerweile ist es üblich, vorgefertigte Standardmietverträge zu verwenden. Was nicht heißen soll, dass hier alles korrekt ist. Am besten ist es, vor dem Unterzeichnen den Mietvertrag in der Rechtsberatung checken zu lassen.
Birgit Leiß
Bei exotischen Klauseln zählt jedes Wort
Es hat sich herumgesprochen, dass es Klauseln gibt, die von der Rechtsprechung als unzulässig bewertet werden. Das betrifft zum Beispiel viele Schönheitsreparatur-Klauseln oder ein kategorisches Verbot von Tierhaltungen (weil dann auch Fische oder Vögel untersagt wären). Grundsätzlich gilt: Alles was zwingend im Gesetz steht, kann nicht durch eine Klausel aufgehoben werden. Mietminderung beispielsweise ist ein Recht, das nicht ausgeschlossen werden kann. Zweitens darf der vertragsgemäße Gebrauch der Wohnung nicht beschnitten werden. Können also exotische Klauseln wie „Wäschetrocknen in der Wohnung untersagt“ oder „Musizieren verboten“ getrost ignoriert werden? Grundsätzlich ja, aber für Nicht-Jurist:innen ist das schwierig einzuschätzen. Es kommt auf die genaue Formulierung an.
bl
AGB oder individuell ausgehandelt?
Echte Individualvereinbarungen sind in der Praxis die Ausnahme. Trotzdem berufen sich Vermieter:innen oft darauf. Zu unterscheiden ist zwischen individuell ausgehandelten Vereinbarungen und vorformulierten Vertragsbedingungen. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gibt es nämlich zum Schutz der Verbraucher:innen einige Regelungen zur Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB).
Für Mieter:innen bedeutet das: Wenn etwas im Vertrag steht, was gegen Treu und Glauben verstößt, überraschend oder intransparent (objektiv schwer verständlich) ist oder in anderer Weise gegen das Gesetz verstößt, dann ist diese Regelung ungültig. Das gilt jedoch nur, wenn es sich tatsächlich um eine AGB handelt. Entscheidend ist, dass der gleiche Text mehrfach verwendet wird. Eine individuell ausgehandelte Vereinbarung würde bedeuten, dass sich Vermieter und Mieter quasi an einen Tisch gesetzt und über bestimmte Punkte verhandelt haben.
Echten individuellen Vereinbarungen sind fast keine Grenzen gesetzt. Lediglich sittenwidrig oder illegal dürfen sie nicht sein.
bl
29.05.2025