Die Koalitionsvereinbarung, auf der CDU/CSU und SPD ihre neue Bundesregierung gründen wollen, bringt aus Mietersicht ein bisschen Licht und viel Schatten. Zwar haben sich die künftigen Regierungsparteien auf wohnungspolitische Vorhaben verständigt, die von der vorherigen Koalition nicht umgesetzt worden sind. Doch weitere dringende Mietrechtsverbesserungen fehlen.

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Der Koalitionsvertrag soll ein „kraftvolles Aufbruchsignal“ sein, so der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) bei der Vorstellung des 144-seitigen Papiers am 9. April. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil ergänzte: „Wir wollen uns dafür einsetzen, dass das Leben wieder einfacher und gerechter wird.“ Doch was sich CDU/CSU und SPD im Bereich Wohnungs- und Mietenpolitik vorgenommen haben, erinnert mehr an ein „Weiter so“ als an einen Aufbruch zu mehr Gerechtigkeit.

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„Es ist wichtig, dass Wohnen bezahlbar bleibt“, erklärte SPD-Chefin Saskia Esken. „Wir werden die Mietpreisbremse fortsetzen und den sozialen Wohnungsbau deutlich ausweiten.“ Konkret wird die Mietpreisbremse, die bei Wiedervermietungen höchstens eine zehnprozentige Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete zulässt, um vier Jahre bis Ende 2029 verlängert. Auf eine etwaige Verschärfung muss man hingegen noch warten. Eine Expertengruppe soll bis Ende 2026 Vorschläge erarbeiten, wie Verstöße gegen die Preisbremse mit Bußgeldern geahndet werden können. Sie soll gleichzeitig einen Vorschlag für eine taugliche Regelung gegen Mietwucher erarbeiten.
Fehlen politischer Wille und der nötige Elan?
„Wir begrüßen die Verlängerung der Mietpreisbremse um vier Jahre“, sagt Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB). „Wuchermieten müssen effektiv geahndet werden“, ergänzt er. „Hier hätten die angehenden Koalitionäre einen Konsens finden müssen.“ Das Verschieben des Themas in eine Kommission ist für den Berliner Mieterverein (BMV) „ein gefährliches Verzögern auf Kosten der Mieter:innen“, so Geschäftsführer Sebastian Bartels. „Die nötigen Reformvorschläge liegen seit Jahren auf dem Tisch – gefragt ist jetzt politischer Wille und sofortiges Handeln, nicht Stillstand bis 2027.“

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Positiv bewerten die Mieterverbände, dass Indexmieten, möbliertes Wohnen und Kurzzeitvermietungen eingeschränkt, der Schutz vor Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen um fünf Jahre verlängert und das Vorkaufsrecht der Städte und Gemeinden gestärkt werden soll. Der Kündigungsschutz soll so verbessert werden, dass bei Zahlungsverzug eine Schonfristzahlung einmalig eine ordentliche Kündigung abwenden kann. „Hier ist seit Jahren dringend Handlungsbedarf geboten“, sagt DMB-Bundesdirektorin Melanie Weber-Moritz.

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Mit einer Anpassung der Modernisierungsumlage bei energetischen Sanierungen möchte die Koalition sowohl Investitionen anreizen als auch die Bezahlbarkeit der Miete gewährleisten – wie das aussehen soll, ist noch sehr vage. Die Ankündigung, mehr staatliche Fördergelder in den sozialen Wohnungsbau, für gemeinnützige Träger, barrierefreies Wohnen und energetische Sanierungen auszugeben, ist nicht mit Zahlen unterlegt.

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Das große Manko der Koalitionsvereinbarung: Es gibt keine konkreten Maßnahmen zur Begrenzung von Mieterhöhungen. Lukas Siebenkotten ist enttäuscht: „Weder ein Mietenstopp oder Deckel, noch eine reduzierte Kappungsgrenze oder gar eine Länderöffnungsklausel finden sich im Koalitionsvertrag.“ Die SPD hatte sich in ihrem Wahlprogramm für einen Mietenstopp in angespannten Wohnungsmärkten und eine Absenkung der Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen auf sechs Prozent innerhalb von drei Jahren eingesetzt, konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Nach dem Scheitern des Berliner Mietendeckels 2021 hatte sich eine breite Mieterbewegung – nicht nur in Berlin – für einen bundesweiten Mietendeckel stark gemacht. Den will die Bundesregierung nicht umsetzen, und sie will auch den Ländern nicht per Öffnungsklausel ermöglichen, selbst tätig zu werden.
Rückzieher der SPD beim Mietenstopp
Außerdem fehlt im Koalitionspapier eine Antwort auf das Problem der Eigenbedarfskündigungen – laut BMV eine Bedrohung für Zehntausende Mieter:innen. „Dass der Missbrauch von Eigenbedarfskündigungen weiterhin ignoriert wird, ist ein gravierendes Versäumnis“, betont Sebastian Bartels. Vorschläge, den Eigenbedarf nur für die Selbstnutzung und für Verwandte ersten Grades zuzulassen, prallten offenbar an der CDU ab.

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Die Linke kritisiert den Koalitionsvertrag als „mutlos, fantasielos und ohne sozialen Kompass“, so Parteivorsitzende Ines Schwerdtner. „Natürlich hat auch die neue Koalition kein Interesse, sich mit der Immobilienlobby anzulegen. Lieber lässt sie die Mieterinnen und Mieter im Regen stehen“, sagt die Linken-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek. „Was wir brauchen, ist ein Mietendeckel, damit wir die Mieten einfrieren und absenken können.“
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge weist darauf hin, dass im Koalitionsvertrag alle Maßnahmen unter Finanzierungsvorbehalt stehen. „Das ist eine Form von unseriöser Politik, vor der wir nur warnen können“, so Dröge. Die Grünen-Abgeordnete Hanna Steinmüller aus Berlin vermisst Regulierungen von Mieterhöhungen, Eigenbedarfskündigungen und Mietspiegeln und beklagt eine „gähnende Leere“ beim Klimaschutz: „Wie sollen Mieter:innen vor Preisexplosionen beim fossilen Heizen geschützt werden? Darauf bleibt die neue Koalition Antworten schuldig“, so Steinmüller. „Schöne Worte senken keine Wohnkosten.“

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Was im Koalitionsvertrag steht und was tatsächlich umgesetzt wird, sind zwei verschiedene Dinge. „In der letzten Legislaturperiode ist viel Vertrauen in die Arbeit der Regierung verloren gegangen, Mieterinnen und Mieter wurden zum Spielball parteipolitischer Interessen“, beklagt DMB-Präsident Lukas Siebenkotten. „Wir erwarten daher, dass die Interessen der Mieterinnen und Mieter in der neuen Bundesregierung endlich ernstgenommen und die Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag auch zügig umgesetzt werden.“ Das hängt stark davon ab, wie groß der Wille und die Durchsetzungskraft der zuständigen Minister:innen sind. Die Ministerien für Justiz, für Wohnen und Bauwesen sowie für Umwelt- und Klimaschutz sollen alle von der SPD besetzt werden.
Jens Sethmann
Schritt nach vorn oder zurück?
Die Wohnungswirtschaft bewertet den Koalitionsvertrag sehr unterschiedlich. Der GdW Bundesverband bejubelt ihn als „riesigen Schritt nach vorne“, er stehe für „mehr und schnelleren bezahlbaren Wohnraum“, sagt GdW-Präsident Axel Gedaschko. Er begrüßt ausdrücklich, dass zu Fragen des Mietrechts eine Kommission eingesetzt werden soll: „Hier wurden die Sorgen der Wohnungswirtschaft anerkannt, indem zunächst weder die Kappungsgrenzen abgesenkt noch die Länderöffnungsklausel bei der Mietpreisbremse eingeführt werden und damit kein Weg für einen Mietendeckel durch die Hintertür geebnet wird.“ Der Verband Haus & Grund sieht hingegen einen „Rückschritt für das Bauen und Wohnen in unserem Land“, so Präsident Kai Warnecke. Die mietrechtlichen Vorschläge sind für ihn die Fortsetzung einer „seit zehn Jahren scheiternden Regulierungspolitik“. „Ob Verlängerung und Verschärfung der Mietpreisbremse oder neue Einschränkungen bei Modernisierungsmieterhöhungen – das sind allesamt alte Forderungen, die sich bereits als wirkungslos oder kontraproduktiv erwiesen haben“, meint Warnecke. Auch die Verbände BFW und ZIA stoßen sich vor allem an der Mietpreisbremse: Sie ersticke die nötige Investitionsbereitschaft im Keim, schimpft der ZIA.
js
07.05.2025