Auf der diesjährigen Delegiertenversammlung des Berliner Mietervereins (BMV) wurde ein Antrag eingebracht, der sich gegen die gendersensible Sprache im MieterMagazin und Veröffentlichungen, Pressemitteilungen und Newsletter des BMV wendete. Mit der Begründung, dass die Verwendung von Sonderzeichen „lesehemmend“ sei, wurde eine „barrierefreie Schreibung des Deutschen ohne Sonderzeichen wie Sternchen, Doppelpunkten, großen Binnen-Is“ gefordert. Die Delegiertenversammlung lehnte den Antrag ab. Warum sich Geschäftsführung und Redaktion 2022 für eine gendersensible Schreibweise entschieden haben, erläutert im Folgenden BMV-Geschäftsführerin Ulrike Hamann-Onnertz.
Lange Zeit war die deutsche Sprache männlich gegendert, das heißt, mit dem Begriff „Mieter“ sollten sich alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen fühlen. Doch mit einer gendersensiblen Sprache, also der Verwendung des Doppelpunktes oder des Sternchens, wird seit einigen Jahren der Tatsache entsprochen, dass es mehr als ein Geschlecht gibt und dass Menschen sich von der männlichen Form nicht mitgemeint fühlen, wenn sie beispielsweise weiblich oder trans sind.
Aber wie viele Geschlechter gibt es?
Die queere Bewegung und die Geschlechterforschung hat hier viel Aufklärungsarbeit geleistet und versucht, eine Sprache zu finden, die inklusiv ist und nicht die Hälfte der Menschen und mehr ausschließt.
Wie viele Geschlechter es gibt, ist schwer zu beantworten, weil auch immer mehr Menschen sich weder von der männlichen noch der weiblichen Ansprache gemeint sehen. Unumstritten ist mittlerweile, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt, so dass sich auch bei der Ansprache „liebe Mieter und Mieterinnen“ ein beträchtlicher Teil der Menschen, die wir ansprechen möchten, nicht gemeint und nicht genannt sieht. Das Bundesverfassungsgerichtsurteil von 2017 und die Änderung des Personenstandsgesetzes 2018, damit einhergehend die rechtliche Anerkennung des dritten positiven Geschlechtseintrags hat gezeigt: wir kommen um die Anerkennung der geschlechtlichen Vielfalt nicht mehr umhin. Die Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung schätzt, dass in Berlin 200.000 bis 300.000 LSBTI-Personen leben, 40.000 von ihnen älter als 65 Jahre. Es gibt in Berlin 13.000 eingetragene Lebenspartner:innenschaften. Die Suche nach Formen, die eben auch die Vielzahl von Geschlechtern sichtbar machen, ist insoweit folgerichtig. Auch der Wunsch, dass ein leichtes Stolpern in der Sprache entsteht, wodurch etwas hörbar gemacht wird, was sonst unter den Tisch fällt. Sprache unterliegt einer ständigen Veränderung. Sie drückt gesellschaftliche Machtverhältnisse aus und bildet sie ab.
Eine offene Gesellschaft und ihre Sprache
Der Berliner Mieterverein versteht sich als in die Zukunft schauender Verein, der sich politisch für Gerechtigkeit auch und insbesondere von strukturell benachteiligten Gruppen einsetzt. Mieter:inneninteressen stehen hierbei selbstverständlich im Fokus. Doch wir nehmen auch andere gesellschaftliche Debatten wahr und sehen, dass Menschen mit Migrationsgeschichte und queere Menschen derzeit besonders den Angriffen von rechten Organisationen und der AfD ausgesetzt sind. Beide Gruppen machen gerade auf dem Wohnungsmarkt die Erfahrung von Anfeindungen und Diskriminierung. Dass sich der Berliner Mieterverein gegen diese Verhältnisse wendet und zwar in Veröffentlichungen durch eine gendergerechte Sprache, ist auch eine Frage der politischen Kultur.
Ein Zeichen gegen die Spaltung von rechts
Lange nachdem bereits so verschiedene Organisationen wie der deutsche Alpenverein, die Berliner Handwerkskammer oder das Immobilienportal Immoscout die gendergerechte Sprache praktizierten, hat sich auch der BMV 2022 dafür entschieden. Als Geschäftsführerin bin ich froh, dass die Delegiertenversammlung mehrheitlich für eine progressive und offene Gesellschaft votiert hat und damit der rechten Spaltung ein Stück mehr entgegentritt.
25.06.2025